PFAS, SF₆ und die Energiewende – was die Revision der Bauprodukteverordnung bedeutet

Die Energiewende soll nachhaltig und klimafreundlich sein. Doch mit PFAS („Ewigkeitschemikalien“) und SF₆ (Schwefelhexafluorid) stehen zwei hochproblematische Stoffgruppen im Zentrum aktueller Diskussionen. Beide werden noch in Energie- und Gebäudetechnik eingesetzt – mit Folgen für Umwelt, Klima und Regulierung.

🔗 Quelle: ECHA – Updated PFAS restriction proposal

Das Dilemma der Energiewende

Die Technologien für erneuerbare Energien sollen unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beenden – und doch basieren viele Systeme auf Stoffen, die selbst erhebliche Umweltprobleme verursachen.

  • Kurzfristig: Ohne PFAS und SF₆ wären viele Systeme heute schwerer, weniger zuverlässig oder teurer.

  • Mittelfristig: Ersatzlösungen sind marktreif, müssen aber noch skaliert und günstiger werden.

  • Langfristig: Die Energiewende kann nur dann glaubwürdig sein, wenn sie auch chemisch nachhaltig ist.

PFAS – die „Ewigkeitschemikalien“

  • Einsatzbereiche: Rückseitenfolien von PV-Modulen, Dichtungen in Wärmepumpen, Membranen in Brennstoffzellen, Kabelisolationen.

  • Eigenschaften: Hohe Beständigkeit gegen Chemikalien, Temperatur und UV-Strahlung – deshalb so beliebt.

  • Problem: PFAS sind extrem langlebig, bauen sich in der Umwelt kaum ab, reichern sich in Böden und im Grundwasser an und stehen im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein.

  • Politik: Die EU arbeitet an einem weitreichenden Verbot von PFAS, die Schweiz wird folgen. Ersatzmaterialien (fluorfreie Kunststoffe) sind in Entwicklung.

SF₆ – das unsichtbare Klimarisiko

  • Einsatzbereiche: Isoliergas in Hoch- und Mittelspannungs-Schaltanlagen, die beim Ausbau von Solar- und Windstrom unverzichtbar waren.

  • Eigenschaften: Chemisch stabil, nicht brennbar, hervorragende Isolationseigenschaften.

  • Problem: SF₆ ist 23’500 Mal klimaschädlicher als CO₂ (über 100 Jahre). Schon kleinste Leckagen haben grosse Klimawirkung.

  • Politik: In der EU wird SF₆ ab 2031 in der Mittelspannung verboten. Hersteller entwickeln Alternativen wie CO₂-, Stickstoff- oder Novec-Gemische (z. B. g³ von GE).

Bauprodukteverordnung im Fokus

Die Revision der Bauprodukteverordnung (EU und Schweiz) bringt neue Anforderungen:

  • Deklarationspflicht für umwelt- und gesundheitsrelevante Stoffe in Bauprodukten.

  • PFAS und andere problematische Substanzen müssen künftig ausgewiesen werden.

  • Übergangsfristen und Ausnahmen sind möglich, aber der Trend geht klar zu PFAS-freien Bauprodukten.

  • Hersteller, Planer und Installateure müssen ihre Produkte, Ausschreibungen und Normen anpassen.

Auswirkungen auf die Gebäudetechnik

  • Hersteller: Entwicklung von Ersatzstoffen und EPDs (Umwelt-Produktdeklarationen).

  • Planer und Installateure: Ausschreibung und Einbau PFAS-freier Bauprodukte, Orientierung an Normen (SIA, suissetec).

  • Bau und Betrieb: Nachhaltigkeitslabels wie Minergie, SNBS oder ESG werden PFAS-Kriterien berücksichtigen.

Fazit

Die Beschränkung von PFAS und SF₆ ist nicht nur ein Chemikalienthema – sie verändert den Rahmen für Bauprodukte und Gebäudetechnik. Die Revision der Bauprodukteverordnung macht deutlich: Die Energiewende muss auch chemisch nachhaltig sein.

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Nächster Meilenstein im PFAS-Beschränkungsverfahren erreicht

Quelle, ECHA – Updated PFAS restriction proposal (20.08.2025)

Hintergrund

Die dossiereinreichenden Behörden aus Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Dänemark und Schweden haben die Auswertung von über 5’600 Kommentaren zum PFAS-Beschränkungsvorschlag abgeschlossen. Die Ergebnisse sind in das aktualisierte Hintergrunddokument eingeflossen, das nun der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) vorliegt.

Das Dokument, veröffentlicht am 24. Juni 2025, ist die Grundlage für die laufenden Bewertungen durch die wissenschaftlichen Ausschüsse für Risikobeurteilung (RAC) und Sozio-ökonomische Analyse (SEAC).

Wesentliche Neuerungen

  • Erweiterung des Hintergrunddokuments: Das Dokument ist um mehr als 100 Seiten länger als die ursprüngliche Version (2023). Anhang E, mit Fokus auf Alternativen und sozio-ökonomische Auswirkungen, ist um über 800 Seiten angewachsen.

  • Einbeziehung neuer Sektoren: Acht weitere Verwendungsbereiche wurden detailliert aufgenommen, u. a.:

    • Drucktechnische Anwendungen

    • Dichtungsanwendungen

    • Maschinenbau

    • Medizinische Anwendungen (außerhalb von Arzneimitteln)

    • Militärische Anwendungen

    • Sprengstoffe

    • Technische Textilien

    • Breitere industrielle Anwendungen (z. B. Lösungsmittel, Katalysatoren)

  • Prüfung von Ausnahmeregelungen: Kommentatoren brachten wichtige Aspekte wie Recycling, Ersatzteile und Gebrauchtmarkt ein. Daraus könnten zeitlich befristete oder unbefristete Ausnahmen mit strengen Risikominderungsmaßnahmen resultieren.

Bedeutung für die Schweiz

Da die Schweiz ihre Chemikalienpolitik eng an die EU anlehnt, wird der Druck auf Produkte mit PFAS auch hierzulande steigen. Besonders betroffen sind:

  • Energie- und Gebäudetechnik (Dichtungen, Wärmepumpen, PV-Folien)

  • Elektronik- und Maschinenbau

  • Technische Textilien und Spezialanwendungen

Fazit

Der Beschränkungsprozess hat nicht nur zu einem erheblichen Wissenszuwachs geführt, sondern auch verdeutlicht, dass eine universelle PFAS-Strategie dringend notwendig ist. Mit den vorliegenden Dokumenten bewegt sich die EU auf eine breite Beschränkung von über 10’000 PFAS-Stoffen zu.

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